lebens(t)räume
244 Seiten, Softcover
ISBN 9783954800308
Mitgerissen von der Nachwendeeuphorie verliebt sich Stasiopfer Karla ausgerechnet in einen Ex-IM. Enttäuscht zieht sie sich zurück, doch ein günstiger Umstand meint es gut mit ihr: Der Nachweis, dass Karl nie jemanden geschadet hat, fegt alle Bedenken beiseite, mit ihm den Schritt in die Ehe zu wagen. Anfangs scheint das Paar auch das Glück gepachtet zu haben. Plötzlich machen rufschädigende Gerüchte über den Ehemann die Runde. Karla fühlt sich erneut als Stasiopfer und Karl als Fußabtreter einer schwarz-weiß gefärbten Geschichtsauffassung.
Die Lebenssituation des Paares gerät ins Wanken, langsam erst, bis sie eines Tages eskaliert…
Interview: Angelika Bohn
24 Bücher haben Sie seit 2000 veröffentlicht: Sachbücher, Regionalkundliches, den ersten Band einer vierbändigen Otto-Dix-Biografie, Kriminalromane… Ihr Roman „Lebens(t)räume“ nun hat deutlich autobiografische Züge. Warum haben Sie sich für diese Form entschieden?
Ein Roman ist doch eigentlich immer fiktiv und real in einem.
Sie erzählen Ihre Lebensgeschichte, die Ihres Lebensgefährten. Wer nicht in Gera lebt, kann natürlich keine realen Personen wiedererkennen. Wer in Gera lebt, aber schon. Selbst bei den Namen legen Sie Spuren. Warum haben Sie sich nicht entschlossen, eine Biografie zu schreiben?
Ich hatte das sogar zuerst versucht. Ich hatte in Ich-Form geschrieben, doch das funktionierte nicht. Ich musste zu meiner, unserer Geschichte Abstand finden. Darum habe ich eine fremde Person erfunden, der ich Teile meines Charakters zuschrieb. Auch bei den anderen Personen habe ich das so gehandhabt. Keiner ist zu hundert Prozent authentisch. Und dann hatte das alles auch noch rechtliche Gründe.
Weil im nahen Umfeld doch viele Protagonisten zu erkennen sind?
Ich habe jeden gefragt, ob er bereit ist, in meinem Buch eine Rolle zu spielen.
Hat sich jemand nach Erscheinen des Buches beklagt?
Keiner.
Im Roman gibt es drei Hauptpersonen: Karla, Cora und Karl. Sind Sie Karla? Oder sind Sie Karla und Cora?
Karla und Cora. Das war mein Kunstgriff, um den Dialog mit mir selbst zu führen.
Der Roman setzt im Jahr 1959 ein, als Karla, die in Schleiz lebt, vier Jahre alt ist, und geht bis in die Gegenwart. Dazwischen berührt die Handlung immer wieder die großen Verwerfungen dieser Zeit. Die enge, kleine Welt in Schleiz, Karlas Flucht nach Westberlin, ihre Rückkehr, die Repressionen durch die Stasi, dann die Wende, der Aufbruch und dann wieder eine neue, festgefahrene Gesellschaft, die kluge, intelligente schöpferische Protagonisten in Harz IV zwängt.
Damit haben sie mein Buch gut zusammengefasst.
Berührt hat mich, wie ehrlich Sie darüber schreiben, wie es ist, arm zu sein und seinen Stolz zu behalten.
Daran liegt mir viel. Man soll seinen Stolz nicht verlieren, sich nicht kaputt machen lassen.
Sie setzen sich in Ihrem Buch auch vehement für die Einführung des Bürgergeldes ein. Was fasziniert Sie an dieser Vision?
Die Gerechtigkeit. Alle Bürger sind gleich, sie müssen sich um ihre Grundbedürfnisse nicht sorgen und haben die gleichen Chancen. Jeder kann entscheiden, ob er arbeiten will oder nicht. Ob er sich mit der Grundsicherung zufrieden gibt. Wer seine Kreativität entfalten will, ist abgesichert. So würden viele Nischen bedient und viele Initiative entwickelt.
Im Roman wird aus dem Stasiopfer Karla und Karl, dem vorgeworfen wird, IM gewesen zu sein, ein Paar. Warum haben Sie diese Geschichte erzählt.
Ich wollte zeigen, dass Karl und Karla nicht in das übliche Schwarz-Weiß-Raster passen. Es war eine Befreiung für mich, das zu erzählen.
Es gibt im Buch den Handlungsstrang mit dem Stasi-Offizier Prang, einem üblen Verbrecher. Das liest sich wie ein Krimi.
Das ist zum Teil auch real. Aber nicht bis in die Mord-Konsequenz.
Die Verstrickung von Karlas Mutter, Frau Winter und Prang im miefigen Schleiz macht aber einen realistischen Eindruck. Sie erzählen, wie dieser Stasi-Mann mit den Träumen, Sehnsüchten, den Hoffnungen der Frauen spielt. Wie sich das alles verkehrt.
Das war ein schwieriges Thema. Ich denke, dass der Leser die Motive dieser Menschen begreifen kann. Man muss schon viel von sich selbst preisgeben, wenn man ernsthaft schreibt.
In Ihrem Buch setzt sich die Lieblosigkeit zwischen Mutter und Tochter von Generation zu Generation fort. Trotzdem setzt Karla alles daran, ein Kind zu bekommen. Warum?
Um den Teufelskreis zu durchbrechen. Sicher gibt es viele Automatismen, die man weiter gibt, die dem Kind vielleicht schaden könnten, aber ohne zu hoffen, dass es möglich ist, den Teufelskreis zu durchbrechen, gäbe es wohl gar keine Kinder.
Ulla Spörl : „Lebens(t)räume. Buchverlag Der Neue Morgen Rudolstadt, 244″S., 14,99 Euro. Kontakt für Lesungen: ullaspoerl@live.de
Angelika Bohn / 08.08.13 / OTZ
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